Graham Clifford wurde 1973 in Lyneham geboren. 2001 schloss er sein Studium in kreativem Schreiben an der University of East Anglia ab. Seine Arbeiten wurden bei verschiedenen Literaturevents und in diversen Zeitschriften veröffentlicht. Heute arbeitet er hauptberuflich als Grundschullehrer in London
Das beste Gedicht aller Zeiten
Ich schreibe ein Gedicht und es ist das beste. Mächtig.
Ich meine nicht nur lang, sondern auch
intellektuell bedeutend
und obwohl es schließlich auf einige Seiten kommt
ist es ganz einfach zu lesen, es ist wie ein freier Fall - jede Zeile
strotzt vor genialen Gedanken,
völlig andere Welten, die einem nie in den Sinn gekommen wären.
Das Gedicht macht mich berühmt.
Die Intellektuellen
und das Putzpersonal führen es auf den Lippen; Lehrer
und Trinker, denn die Brauereien
drucken Strophen des Gedichts
auf die Böden von Bierflaschen.
An heißen, sauerstoffarmen Abenden
laufe ich durch die Straßen der Stadt und höre,
wie verschwitzte Menschen Zeilen meines Gedichts flüstern.
In der Bahn
spähe ich über den Rand eines Buches über mich
auf einen Mann im Anzug, der gerade wegdöst
und erkenne die Worte wieder, die er
in seiner Verzückung murmelt.
Alle Titelblätter ziert das Gedicht jeden Tag in kleiner Schrift, damit es passt -
Bombenanschläge und Messerstechereien kommen später.
Die aufstrebende Autorin zahlt viel, um
mein Gedicht als Einleitung abdrucken zu dürfen:
Sie weiß, dass ihre Arbeit sonst keinen Sinn ergibt.
Jeder, den ich je kennengelernt habe
ruft mich an, um zu fragen, wie ich das geschafft habe.
Ich sage, ich weiß es nicht und das ist die Wahrheit.
Nach einem Jahr dauert der Rummel immer noch an.
Eines Morgens sitze ich an meinem Computer
und höre, wie unten der Fernseher angestellt wird.
Ich presse mein Ohr an eine Ritze in den Dielen.
Es ist ein Schauspieler und er liest mein Gedicht.
Es ist eine gute Version, ich habe sie schon vorher gehört.
Er hat eine Shakespeare-Bühnenstimme,
die der Anmoderation Das beste Gedicht aller Zeiten gerecht wird.
Ich höre mir das alles an, ich gehe wohin das Gedicht mich trägt,
dann kehre ich zurück an meinen Schreibtisch
und schreibe ein besseres.
Übersetzt von Anna Hubrich
Das Beste Gedicht Aller Zeiten
Ich schreib ein Gedicht, das ist das beste. Einfach Grandios.
Ich mein nicht nur lang, sondern
intellektuell großartig,
und obwohl es doch einige Seiten zählt,
ist es so leicht zu lesen wie der Flug einer Feder – jede Zeile
voll von genialen Gedanken,
ganze andere Welten, von denen Du nicht geträumt hast.
Das Gedicht macht mich berühmt.
Intellektuelle führen es auf ihren Lippen
und Putzfrauen; Lehrer
und Säufer, denn die Brauereien
drucken Verse des Gedichts
auf den Boden der Bierflaschen.
In heißen, Sauerstoff-erschöpften Nächten
geh ich durch die Straßen der Stadt und höre
Zeilen meines Gedichts, gewispert
von verschwitzten Menschen. In der U-Bahn
erspäh ich hinter einem Buch über mich
einen Mann in Anzug, wie er einnickt,
und auf seinen Lippen erkenne ich die Worte,
die er bewusstlos murmelt.
Alle Titelseiten, jeden Tag,
bringen das ganze Gedicht, in Kleindruck, dass es psst –
Bombenanschläge und Blutbäder werden nach hinten verbannt.
Die Nachwuchsautorin zahlt gut, dass sie
mein Gedicht drucken darf als Einleitung:
sie weiß, ihr Werk ist sinnleer ohne es.
Jeder, den ich jemals kannte,
ruft mich an, fragt: wie hast du das geschafft.
Ich sag: ich weiß es nicht, und das ist die Wahrheit.
Nach einem Jahr hat sich der Wirbel noch nicht gelegt.
Eines Morgens sitz ich am Rechner
und höre drunten den Fernseher angehen.
Ich leg mein Ohr an die Ritze in den Bodenbrettern.
Es ist ein Schauspieler, und er liest mein Gedicht.
Es ist eine gute Version, ich hab sie schon mal gehört.
Er hat eine Shakespeare-Stimme,
die dem gerecht wird, was der Ansager ankündigt:
Das Beste Gedicht Aller Zeiten.
Ich lausche vertieft, ich reise, wohin das Gedicht mich entführt,
kehr dann zurück auf meinen Schreibtischstuhl
und schreib ein besseres.
Das beste Gedicht aller Zeiten
Ich schreib ein Gedicht, was das Beste ist. Gewaltig.
Ich mein nicht nur ein langes, sondern
ein unglaublich geistreiches
und obwohl es am Ende ein paar Seiten lang ist
ist es so leicht zu lesen, als wäre man im freien Fall – jede Zeile
wimmelt von genialen Gedanken,
komplett neue Wörter
die du dir nie erträumt hättest.
Das Gedicht macht mich berühmt.
Es summt von den Lippen von Intellektuellen
und Putzen; von Lehrern
und Säufern, weil die Brauereien
Zeilen des Gedichts
auf den Boden der Bierflaschen drucken.
In heißen, sauerstoffarmen Nächten
lauf ich die Straßen der Stadt entlang und höre
klebrige Gestalten
meine Zeilen flüstern. In der U-Bahn
seh ich auf von der Biografie über mich
zu einem Kerl in ‘nem Anzug beim Einnicken
Und erkenne die Worte, die sein Mund halb ohnmächtig formt.
Jede Titelseite, Tag für Tag
druckt das komplette Gedicht, in kleiner Schrift, damit es passt-
Mord und Todschlag werden von den Zeilen bedeckt.
Die angesagte Schriftstellerin zahlt unverschämt gut
mein Gedicht als Einleitung:
sie weiß, ihr Buch wäre ohne sinnlos.
Jeder, den ich je kannte
ruft mich an und fragt, wie ich das gemacht hab.
Ich sag, ich hab keine Ahnung, und das ist die Wahrheit.
Nach ‘nem Jahr ist der Spuk noch nicht vorbei.
Einen Morgen sitz ich an meinem Computer
und hör unten den Fernseher angehen.
Ich press mein Ohr an eine Spalte in den Dielenbrettern.
Da ist ein Schauspieler und er liest mein Gedicht.
Ist ’ne gute Version; hab die schon mal gehört.
Er hat eine echte Shakespeare-Stimme
die werkgetreu das intoniert was der Ansager bezeichnet als
Das beste Gedicht aller Zeiten
Ich hör’s mir an bis zum Schluss, ich reise dahin, wo das Gedicht mich trägt
geh zurück auf meinen Stuhl
und schreib ein besseres.
Übersetzt von Nils Osowski
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