David Miller wurde 1950 in Melbourne, Australien, geboren und lebt seit 1972 in London. Seine Veröffentlichungen sind unter vielen anderen Gedicht-, Prosa- und literaturtheoretischen Bänden The Dorothy and Benno Stories (Reality Street Editions 2005), Spiritual Letters (Series 3) (Stride 2005), The Waters of Marah: Selected Prose 1973-1995 (Shearsman Books 2005), Art and Disclosure: Seven Essays (Stride 1998), sowie Editionen anderer Dichter. Außerdem ist er einer der fünf Dichter, die in der Anthologie Take Five 06 (Shoestring Press 2006) veröffentlicht haben, ist in Englischer Literatur an der Londoner Universität promoviert und als Research Fellow für Englische Literatur an der Nottingham Trent University beschäftigt, wo er zusätzlich Kreatives Schreiben unterrichtet. Daneben ist David Miller auch Klarinettist, der schon als Mitglied von Blue Cross und The Mind Shop, mit Ken White im Duo, und gelegentlich auch als Solist aufgetreten ist.
Anna Hubrich / Julia Offermann
Spirituelle Briefe (Series 3, #11)
Er saß auf einem Stein im Feld und sang für die Schafe. An einem anderen Tag sang er Mahler für die trompetenden Elefanten im Zoo. Als wir durch das Tor fuhren, kam ein Hund mit einem verkrüppelten Hinterbein heraus, um uns zu begrüßen. Später gingen wir in ein Restaurant am Strand, teilten uns ein Fischgericht und Tintenfisch und tranken Wein. Gipsstücke, einige davon mit Schilfabdrücken, ließen die Überreste eines Hauses aus pflanzlichen Baustoffen – Palmwedel, dachte er – und Gips erahnen. Von der Straße konnte man die alte Schauspielerin sehen, wie sie eingerahmt von Lichtern vor dem Spiegel stand, um sich auf ihre abendliche Vorstellung einzustimmen. Nun da auch seine Glieder von den Medikamenten beeinträchtigt wurden, stellte der Junge fest, dass er Schwierigkeiten beim Laufen bekam; also half ihm seine Mutter, den kurzen Weg bis zum Krankenhaus zurückzulegen. Nach einer durchzechten Nacht kehrte sein Freund nach Hause zurück und nahm einige Eier aus dem Kühlschrank um damit zu jonglieren. Ein einzelner Sandalenabdruck, eingesunken im Gehsteig, der sich rasch mit Regenwasser füllt. Auf dem Schlafzimmerboden hatte er seine Kleidung geordnet, Stapel für Stapel.
Übersetzt von Anna Hubrich
Geistige Briefe (Series 3, #11)
Er saß auf einem Gesteinsbrocken im Feld und sang den Schafen ein Lied. An einem anderen Tag sang er Mahler den trompetenden Elefanten im Zoo. Als wir durch die Einfahrt fuhren, kam ein Hund mit lahmem Hinterlauf heraus und traf auf uns. Später gingen wir hinunter zum Restaurant am Meer, teilten uns ein Fisch- und Tintenfischgericht und tranken Wein. Bruchteile von Gips, manche mit Schilfgrasabdrücken, deuteten auf Überreste von Häusern aus Pflanzenmaterial an – Palmwedel, dache er – und Gips. Von der Straße darunter aus konnte man die alte Schauspielerin sehen, wie sie am Spiegel stand, umrahmt von Licht, und sich für die Abendvorstellung vorbereitete. Die Glieder des Jungen waren nun von der Medizin angegriffen, er erkannte, dass er sich nur mit Schwierigkeiten bewegen konnte; so half ihm seine Mutter die kurze Entfernung zum Krankenhaus zu gehen. Nach einer langen, trinkfreudigen Nacht kehrte sein Freund nach Hause zurück, und nahm mehrere Eier zum Jonglieren aus dem Kühlschrank. Ein einzelner Sandalenabdruck war in den Gehsteig geprägt, füllte sich schnell mit Regenwasser. Auf dem Boden seines Schlafzimmers hatte er seine Kleidung Haufen für Haufen angeordnet.
Übersetzt von Judith Königer
Geistliche Briefe (Serie 3, Nr. 11)
Er saß auf einem Stein auf dem Feld und sang den Schafen zu. Am nächsten Tag sang er den trompetenden Elefanten im Zoo Mahler zu. Als wir durch das Tor fuhren, kam uns ein Hund mit verkrüppeltem Hinterlauf entgegen. Später gingen wir hinunter in ein Restaurant am Meer, teilten uns eine Platte mit Fisch und Oktopus und tranken Wein. Mauerbruchstücke, manche mit Blattaufdrucken, deuteten auf die Reste von Häusern, gebaut aus pflanzlichem Material – Palmwedel, dachte er – und Mauerputz. Von der Straße unten konnte man die alte Schauspielerin sehen, wie sie am Spiegel stand, umrahmt von Licht, und sich auf die Abendvorstellung vorbereitete. Die Glieder des Jungen waren nun unter dem Einfluß der Medikamente, er sah, daß er sich nur mit Mühe bewegen konnte; also half ihm seine Mutter, die kurze Strecke bis zum Krankenhaus zu gehen. Nach einer langen durchzechten Nacht kam seine Freundin nach Hause und nahm einige Eier aus dem Kühlschrank zum Jonglieren. Ein einzelner Sandalenabdruck eingedrückt in den Boden, der sich rasch mit Regenwasser füllte. Auf dem Boden seines Schlafzimmers hatte er seine Kleider sortiert, Stapel für Stapel.
Übersetzt von Julia Offermann
Spirituelle Briefe (Serie 3, #11)
Er saß auf der Weide auf einem Felsen und sang den Schafen ein Lied. Ein anderes Mal sang er Mahler vor den trompetenden Elefanten im Zoo. Als wir durch die Toreinfahrt fuhren, begrüßte uns ein Hund mit einem verkrüppelten Hinterlauf. Später gingen wir in ein Restaurant ans Meer hinunter, teilten uns Fisch und Oktopus und tranken Wein. Bruchstücke aus Gips, einige mit Abdrücken von Riedgras, deuteten auf die Überreste eines Hauses hin, das aus pflanzlichem Material errichtet worden war – Palmwedel, dachte er – und Gips. Unten von der Straße aus konnte man die alte Schauspielerin sehen, wie sie vor dem Spiegel stand, der von Lichtern umrahmt war, und sich auf die Abendvorstellung vorbereitete. Die Glieder des Jungen waren mittlerweile durch die Medikamente beeinträchtigt und es wurde ihm klar, dass er sich nur mit Mühe bewegen konnte; deshalb half ihm seine Mutter, die kurze Strecke zum Krankenhaus zurückzulegen. Nach einer langen durchzechten Nacht kam sein Freund nach Hause und nahm ein paar Eier aus dem Kühlschrank, um damit zu jonglieren. Ein einzelner Sandalenabdruck, der sich im Gehsteig abzeichnete, füllte sich rasch mit Regenwasser. Seine Kleidung hatte er Stapel für Stapel auf dem Boden seines Schlafzimmers aufgetürmt.
Übersetzt von Sabine Stiglmayr