Anna Robinson, die ihren Magister in Public History am Ruskin College Oxford ablegte, ist in Sachen Dichtung sehr vielseitig. Sie hat mit Kindern oder Senioren gleichermaßen wie mit Lernbehinderten oder gefangenen gearbeitet, an Workshops teilgenommen oder solche gleitet (z.B. beim Writers Festival oder Poetry Street), war daneben poet-in-residence des Lower Marsh für das South Bank Centre’s Trading Project 2006. Zur Zeit ist sie u.a. Reader Development Librarian und Ko-Leiter von Poetry Parlour und Powell Bookshop. 2001 war sie erste Stipendiatin der Poetry School Scholarship. Songs from the flats (Hearing Eye) ist ihre erste Veröffentlichung; Poetry Book Society wählte es 2005/06 als Pamphlet Choice aus. Weitere Werke von Anna Robinson werden in der nächsten Ausgabe von Oxford Poets (Carcanet) publiziert werden.
Isabella Wiegand
Geisterstunde
Ich wache auf, wo ich schlief,
in meinem Zimmer,
aber die Wände sind weg
und alles, was ich seh, sind Nachtschatten
die sich wegdrehen vom Bett.
Das sind Brombeeren, denke ich,
ja, genau, und in voller Frucht
und jetzt fühl ich: die Nacht ist lau
und jetzt fühl ich: da weht keine Brise.
Versuche, meine Haltung zu finden
am Mond
und der braunverspiegelten Rückseite
des Gesundheitszentrums
immer zu seiner Rechten,
das ist verschwunden, wie der Zaun
zum Park, wie der Park und die Wohnhäuser
und jetzt seh ich die Schatten von Schuppen
und jetzt seh ich den Mond auf Glas.
Ich stehe auf und finde
meine Schuhe nicht,
laufe los durchs Gras,
das zum Teil sumpfig ist
- das ist gar nicht so übel -,
und weil Vollmond ist,
sehe ich die Blumen, zum Schlaf gefaltet,
Viola tricolor, los, kitzle meine Phantasie,
Samtveilchen, mit deinen Mädchenaugen.
Übersetzt von Julia Offermann
Spuk
Wo ich schlief lieg ich nun wach
in meinem eignen Zimmer
doch keine Wände sind mehr da
und einzig nächtliche Schemen zu sehn,
die sich vom Bett wegkrümmen.
Brombeerranken sind das, denke ich,
genau, und voller Früchte,
und jetzt spür ich: die Nacht ist warm
und jetzt spür ich: es geht kein Wind.
Versuche, mich zurechtzufinden
mit dem Mond
und der braunverspiegelten Rückwand
vom Gesundheitsministerium,
sonst zu meiner Rechten -
weg ist es, wie auch die Mauer
um den Park, wie der Park und wie die Häuser.
Und jetzt seh ich die Umrisse von Hütten
Und jetzt seh ich den Mond auf Glas.
Ich stehe auf,
find die Pantoffeln nicht
und vorwärts geh ich auf dem Gras,
das hier und da morastig ist,
was so schlimm aber gar nicht ist
und es ist Vollmond
ich seh die Blumen, verschlossen zum Schlaf,
Viola tricolor schmeichelt meiner Phantasie,
Ackerveilchen, sorglos springt es auf und küsst mich.
Übersetzt von Isabella Wiegand
Trugbild
Ich erwache, wo ich schlafend lag
in meinem Gemach
die Wände sind aber verschwunden
und ich sehe nichts als Nachtgestalten
die sich vom Bett schleichen.
Brombeergestrüpp, denke ich,
ja, das ist es, und noch in voller Reife
und jetzt verspüre ich die Wärme der Nacht
und jetzt verspüre ich, dass nicht mal ein Hauch Wind weht.
Ich versuche meinen Weg
nach dem Mond zu finden
nach der umbra-silbernen Rückwand
der Gesundheitsbehörde
immer rechts davon
aber sie ist fort, genau wie der Zaun
zum Park, wie der Park und die Wohnblocks
und jetzt kann ich Umrisse von Nebenbauten erblicken
und jetzt kann ich erblicken den Mond auf dem Glas.
Ich richte mich auf und
da ich meine Schuhe nicht finde
laufe ich durch die Wiese
hier und da durch Morast
was aber nur halb so schlimm ist
und es ist Vollmond
und ich sehe die im Schlaf gebetteten Blumen,
Viola tricolor rüttle meine Wunschträume wach,
Liebesgesicht spring auf und habe mich lieb.
Übersetzt von Aprilia Zank